Regionaler Journalismus
Viele regionale Phänomene hängen von überregionale Problemlagen ab.
Unabhängig, ob in der Region in der man lebt gute oder schlechte Zeitungen verteilt werden, ist es sehr hilfreich, eigene Perspektiven in die Kulturwelt zu bringen.
Hier in der Mecklenburgischen Schweiz sind es vier Felder, auf denen wir journalistisch ackern. 1. Litfaßsäulen: Natürlich sollen sie auf Veranstaltungen hinweisen – aber der Herr Litfaß hatte auch daran gedacht, dass an diese Säulen Probleme und Geschichten kommen, die regional spannend sind. 2. Kulturblatt: Dieses entstand als unsere Bürger*innenzeitung der „AufMacher“ eingestellt wurde. Auch sie informiert und auch sie setzt Themen, die mit visionären oder wechselnden Perspektiven verhandelt werden sollten. 3. Im Newsletter kommen ausführlicher und mit Hintergrundinformationen ausgestattete Projekte in den Fokus. Und 4. werden im Podcast, der auch über den Offenen Radiokanal gesendet wird, Leute mit Mumm und Weitsicht vorgestellt.
In einer Welt, die von Informationen und Nachrichten durchdrungen ist, spielt der Journalismus eine entscheidende Rolle in unserem täglichen Leben. Oft sind es Reportagen, die uns ungeahnte Lebensrealitäten näherbringen. Sie wecken Empathie, regen zum Nachdenken an und ermöglichen einen Perspektivwechsel. Es sind auch Feature, die Zusammenhänge erklären oder Kommentare, die Denkanstöße bringen.
Wir haben hier das Projekt der Volontärin, eines „realweltlichen“ Lernens journalistischer Arbeit, das von professionellen Journalist*innen beraten und begleitet wird. Es verfolgt den Ansatz des „konstruktiven Journalismus“ oder des „Impact-Journalismus“. Denn was macht eine*n großartigen Reporter*in aus?
1. Neugierde auf die Welt
Ein*e gute*r Journalist*in ist von Natur aus neugierig und immer auf der Suche nach den wahren Geschichten hinter den Schlagzeilen. Er oder sie möchte verstehen, wie die Welt wirklich funktioniert.
Das heißt, den Kontext, also die Ursachen und Wirkungen, die Zusammenhänge zu beleuchten und dialektisch zu schreiben. Das bedeutet ebenso: historisch zu arbeiten und mögliche Folgen für die Zukunft zu sehen.
2. Hautnah dabei sein
Ein*e Reporter*in muss hautnah dabei sein, wenn etwas Wichtiges geschieht. Die Fähigkeit, Ereignisse aus erster Hand zu erleben und darüber zu berichten, ist von unschätzbarem Wert.
Wenn es notwendig wird, ist „aus erster Hand“ auch die Wirklichkeitsbeschreibung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen angesagt, zu Dingen, die als Phänomene hautnah nicht zu erfassen sind.
3. Anschaulichkeit durch Sinneswahrnehmungen
Um eine packende Reportage zu schreiben, bedarf es der genauen Beobachtung mit allen Sinnen. Details, Gerüche, Geräusche und Gefühle – all das trägt zur Lebendigkeit einer Geschichte bei.
Und auch nochmal hier: CO2 kann man nicht riechen und schmecken und dennoch lässt uns dessen Wirkung das Klima um die Ohren fliegen. Wir brauchen als weiteres Sinnesorgan die wissenschaftlichen Erkenntnisse und selbst die Fähigkeiten und Kompetenzen, sie sauber zu benutzen.
4. Balance zwischen Anschauung, Hintergrundwissen und Reflexion
Eine erstklassige Reportage wechselt geschickt zwischen konkreter Anschauung, relevantem Hintergrundwissen und persönlicher Reflexion. Diese Mischung fesselt den Lesenden und vermittelt ein umfassendes Verständnis des Themas.
Mit Anschauung ist die Grundhaltung gemeint, die die Journalist*in hat. Ihr Weltsicht und ihr Menschenbild also. Anerkannt wird von den Leser*innen, wenn Journalist*innen diesen Zugang transparent machen. (Übrigens: jedermann und jedefrau hat eine Grundhaltung – nur wird diese nicht selten verschwommen gehalten.)
5. Ehrlichkeit und Vertrauen
Ein*e gute*r Reporter*in ist ehrlich und vertrauenswürdig. Leserinnen und Leser müssen das Gefühl haben, dass ihnen die Wahrheit berichtet wird, selbst wenn sie unbequem ist.
Hier gibt es eine ganz unangenehme Schnittmenge zum Skandal- und Katastrophenjournalismus. Denn „unangenehme Wahrheiten“ lassen sich instrumentalisieren und skandalisieren. Hier hilft nur die sachliche Kontextbeschreibung und die Einordnung der Folgen.
6. Die Zusammenhänge
Viele regionale Phänomene hängen von überregionalen Problemlagen ab. Gute Journalist*innen beherrschen die Einordnung – weil sie davon wissen. Überhaupt: Journalist*innen qualifizieren sich ständig! Das ist ein muss.
7. Sprache
Klar ist, „schreib und sprich so, dass man Dich versteht“. Hier in der Region bekommen wir manchmal den Hinweis: schreib so, dass dich die nicht gebildeten verstehen – oh, das ist eine gefährliche Arroganz. Zudem heißt das: Reduziere eine komplexe Situation auf nur einen Sachverhalt. Das aber bedeutet, die Komplexität, die ja oft genau das Problemfeld ist, verschwindet.
Sprache soll nicht nur „einfach“ sein. Die Begriffe und Wörter sollen auch so nah wie nur möglich das beschreiben, was wirklich ist. Zum Beispiel ist „Klimawandel“ nicht passend – eher schon „Klimakrise“, noch näher dran „Klimakatastrophe“ (für uns).
In unserem Volontariat lernt Mensch den passenden Ton und die Sprache für eine Kolumne zu finden oder eine fundierte Rezension zu schreiben; wissenschaftliche Studien auszuwerten und ein Feature zu strukturieren. Zudem geht es um die Handwerkzeuge guter bürgerjournalistischer Arbeit.
Das Lernprojekt „Sichtbarkeit! Für Kulturschaffende und Initiativen in der Mecklenburgischen Schweiz“ wird innerhalb des Programms Kultur.Gemeinschaften, Neustart Kultur der Kulturstiftung und des Ministeriums für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten gefördert.
Open Educational Ressource – eine für alle nutzbare Bildungsquelle.