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Über Wirkungen von „Lerninfrastrukturen für Resilienzfähigkeit“

– Erzählungen und transformatives Lernen

Dieser Text ist für die Menschen geschrieben, die sich theoretisch und planerisch mit Lerninfrastrukturen, also mit Netzen von Lernanbietern u.a. befassen.

Für Kulturmenschen ist der zweite Teil interessant: Er beschreibt, dass Erzählungen, die ja immer künstlerisch sind, wichtige Formen der Kommunikation in Veränderungsprozessen sind und deshalb professionalisiert werden müssten.

Über Wirkungen von „Lerninfrastrukturen für Resilienzfähigkeit“ der Mecklenburgischen Schweiz – Erzählungen und transformatives Lernen

Als 2015 die Stadt und Region Malchin in einem fast einjährigen Beteiligungsprozess ein multiperspektivisches (multisektorales) Zukunftsbild erarbeitete, war die naheliegende Vorstellung, in prioritären Handlungsfeldern mit einzelnen Maßnahmen der eigenen Daseinsvorsorge und Resilienz zu beginnen und dafür die Methode des Reallabors zu nutzen. Doch im Ko-Design der Forschungsfrage stellte sich heraus, dass es ganzheitlichere Maßnahmen zur Umsetzung des Zukunftsbildes brauche, die Aufgabe also komplexer sei, als eine bloße Teilrekonstruktion der Kulturlandschaft. Denn letztendlich gemeint war die Resilienzfähigkeit der Region als Subjekt, also eine nachhaltige Transformation der Daseinsvorsorge – ohne, dass schon beschrieben werden konnte, was das ist.

Diese Selbsterkenntnis von Bürger*innenteam schloss die Herausforderung ein, sich zuallererst selbst zu ermächtigen, d.h., sich kompetent für das Phänomen Resilienzfähigkeit in Transformationen zu machen – als Bürger*in und als Organisationen. Das war der Anlass, den “Verbund der Raumpioniere” zu bilden und sich über konkrete Maßnahmen der verschiedenen „Wenden“ (Energie-, Agrar-, Ernährungs-, Landnutzungs-, Bauwende) den Möglichkeiten einer ganzheitlichen Transformation der Region anzunähern. Der Gedanke dahinter war, dass sich interventionistische Protagonisten zunächst vom Wissen und von den Kompetenzen (de Haan 2008) her fit machen, um anschließend Transformationen zu initiieren. Daraus entstand die erste Forschungsfrage: Was machen Protagonisten in regionalen Metamorphosen aus?

 

Ansatz 1 – „Transformative Zelle“

Im Forschungsvorhaben Land*Stadt (Bosch-Stiftung) haben wir den Zusammenschluss von interventionistischen Akteuren als “transformative Zellen” bezeichnet und beforscht. Sie sind Protagonisten, die konkrete Veränderungen vor dem Hintergrund einer selbstbestimmten gemeinsamen Vision verfolgen. Sie nähern sich dem Wissen über regionale Trends (Klimafolgen, Bodenkonkurrenzen, Verschlechterung der Ökosystemleistungen u.a.) an, akzeptieren und benutzen dieses Wissen. Das ist wichtig zu betonen, weil es gleichermaßen „retrotopische“ transformative Zellen gibt (Z. Baumann 2017), oder Initiativen, die zu aktuellen Sachthemen agieren und lokale Interessen bedienen, jedoch nicht auf dem erforderlichen Veränderungsniveau der Transformation liegen. 
Trotz der Integration verschiedener Wissensformen und der Entwicklung eines gemeinsamen Zukunftsbildes bleiben Akteure transformativer Zellen in ihrem konkreten soziokulturellen Erfahrungs- und Erlebnisfeld beschränkt. Denn hierbei geht es auch um die regional kommunizierten Narrative, d.h. „vereinbarte und gegenseitig erzählte“, identitätsstiftende Entwicklungsgeschichten. Ihre mentale Infrastruktur (Welzer 2011) ist davon geprägt.

Zur Transformativen Zelle werden diese Akteursverbünde, wenn sie sich als transdisziplinäre Einheit (Wissenschaft und Erfahrungswissen) mit Methoden der transformativen Forschung  organisieren um „fortschrittliche Innovationen“ zu initiieren. In unserem Fall leiteten sie diese aus dem 2015 gemeinsam mit dem KMGNE entwickelten Zukunftsbild ab und erarbeiteten ROADMAPs (Backcasting), über die das Zukunftsbild (oder Teile dessen) realisiert werden sollte. Für offenkundige Problemlagen eigneten sie sich  dazu Wissen an (Recherche wissenschaftlicher Erkenntnisse, Erfahrungswissen) und lernten dabei schrittweise strategisches Handeln unter Unsicherheiten.

Hierbei ist klar, dass eine solche transformative Zelle vor der Herausforderung eines soziologischen Kulturwandels (einschließlich neuer Identität) steht. Das Framing „Wandel“ verdeckt, dass es sich um Metamorphosen handelt (U. Beck 2016), die jeweils in die verschiedenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Bereiche hineinreichen und oft als Wildcards. (Petersen 1997)

Wie kann man sich also die Resilienz ländlicher Räume vorstellen? Das ist nicht entschieden. Denn, die kollektive Vorstellung von regionaler Resilienz ist im produktiven Sinn ein ständiger Aushandlungsprozess, der wesentlich durch Interventionen verschiedenster Protagonisten am Laufen gehalten wird. Die Rolle von Erzählungen besteht dabei darin, Themen zu setzen und Kontroversen auszutragen.

Die grundlegenden Erkenntnisse in dieser vierjährigen Phase waren, dass wir (1) implizit Grundannahmen verfolgten, die übrigens auch in der Forschung und Bildung (für nachhaltige Entwicklung) virulent aber leider naiv sind: Einmal bestand der Glaube, dass mehr wissenschaftlich fundierte Projektionen von Trends sowie Projektionen technischer Lösungen zur Anpassung an die Folgen von Veränderungen ausreichen, um regional-gesellschaftliche Einsichten zu generieren, die adäquate Handlungen auslösen. Zum anderen wurde Fortschritt als verlängerte Gegenwart verstanden.

(2) Womit es die Malchiner Transformationsprozesse dagegen zu tun haben, sind folgende Erfahrungen und kognitive Dissonanzen, die auf die Notwendigkeit eines veränderten Lernens aufmerksam machen: Erstens gibt es einen Kontrollverlust, der dadurch eintritt, dass die Veränderung mit der Region geschieht – die Akteure sie also nicht gestalten und sie somit, ohne Manual, nur (hilflos) reagieren. Die schleichende Erosion der kapitalistischen Weltsicht ist eine zweite Erfahrung, die eng mit der dritten, der disruptiven Realität der Veränderungen verbunden ist. Viertens wächst die Erfahrung von Zeitfenstern, die möglicherweise mit Tipping Points enden.

(3) Die Arbeit in Reallaboren schließt per se kollektive Lernprozesse mit ein. Die Notwendigkeit der Alphabetisierung (Great Mindshift 2016) in verlaufender großer Transformation stellt sowohl an das Forschungsverständnis neue Fragen (zeitnaher Wissenszuwachs, Verschränkung von Geschehen, Wissen, Machen). Das heißt, dass Wissensproduktion und Handeln während schneller Veränderungen in komplexen Systemen sich gegenseitig in neuer Qualität bedingen. (s.a. D. E. Beck et al. 2018) Ebenso gilt die Notwendigkeit der Alphabetisierung aber auch hinsichtlich der Narrative und v.a. der gegenwärtigen, neoliberalen mentalen Infrastrukturen des Mensch-Natur-Verhältnisses. Und wenn Resilienzfähigkeit als die Fähigkeiten zu Widerstand und Reproduktion sowie Handlungssouveränität und Entkopplung von Krisenmanagements bezeichnet wird, dann ist die zu erbringende Leistung die, ihre  regional passende, konkrete Ausformulierung und Gestaltung zu finden.

(4) Schaut man in periphere ländliche Räume, so spielen sich Transformationen in Korrespondenz mit Turbulenzen in den Sozialräume ab. Wenn Systeme so empfindlich von Veränderungen abhängen, dass langfristige Vorhersagen unmöglich werden, spricht man von chaotischem Verhalten. Ein solches potentiell chaotisches Verhalten muss folglich auch bei der Arbeit im Reallabor in ländlichen Regionen berücksichtigt werden. Denn Akteure in einem peripheren ländlichen Raum, der von ökologischen und sozio-ökonomischen Turbulenzen gezeichnet ist, befinden sich in mentalen Orientierungsunsicherheiten. Diese zeigen sich in widersprüchlichem Verhalten und v.a. einem “instabilen” sozial-robusten Wissen und resultieren z.T. aus Unkenntnis. Offensichtlich braucht es hier, während Klimafolgen und “Wenden” geschehen, regionales bewertetes Wissen für einen adäquaten Umgang mit dem Geschehen (Borner, 2019). Für eine Erfassung, Aufbereitung, Vermittlung und Anwendung dieses Wissens gibt es jedoch oftmals keine adäquate Struktur oder Handlungskultur; geschweige denn Institutionen, also soziale Praktiken und Infrastrukturen des Lernens. Dabei verlaufen nach Otto et al. (2020) Transformationen letztendlich über soziale Tipping Points, von denen transformatives Lernen ein entscheidender ist. Weil wir in diesem Sinne mit dem Vorhaben eine Intervention in die gewohnten Handlungsstrukturen und -kulturen der Region anstreben, die zuvorderst durch transformative Lernprozesse angestoßen werden sollen, reden wir einerseits von der Notwendigkeit eines realweltichen Lernens (verstanden als die reflektierte Anpassung an veränderte Situationen), welches sowohl eine erweiterte Kompetenzentwicklung als auch die Änderung des Bedeutungsrahmens in der Macher- und Entscheiderwelt impliziert, weil sich lebensweltliche Rahmenbedingungen verändern. Andererseits geht es aber auch um eine Art des informellen Lernens (Krisen-Erfahrungslernen, forschendes Lernen, projektorientiertes Lernen, selbstbestimmtes Lernen) von fluiden Akteuren in rhizomartigen Akteursstrukturen, für das es noch kein Bildungs(system)äquivalent gibt. 

Daher entwickelte sich ab 2021 das Malchiner Reallabor unter dem Namen “Digitale Bildungslandschaft Region Malchin” neu.

Ansatz 2 - REALLABOR MALCHINER BILDUNGSLANDSCHAFT

Ziel des Reallabors ist es dabei, Zweck, Struktur, Funktionsweise und Wirkung einer eigenen, regionales Wissen akquirierenden und bewertenden Bildungslandschaft in ländlichen Räumen ohne etablierte Wissensinstitutionen zu entwickeln und zu erproben, welche den Anspruch verfolgt, das Transformationspotenzial der Region und ihrer Akteure durch kollektive und emanzipatorische Prozesse transformativen Lernens unter besonderer Berücksichtigung von Narrativen und Erzählungen als Lernmedium zu erschließen.

 

 

Während das Praxisinteresse der involvierten Akteure dabei noch immer auf den regionalen Diskurs beschränkten Handlungsstrategien für spezifische Problemfelder gilt, richtet sich das wissenschaftliche Interesse des Vorhabens dezidiert an der Frage nach geeigneten Infrastrukturen für Prozesse transformativen Lernens, einschließlich passender Maßnahmen zu ihrer Initiierung, Begleitung und Auswertung aus. Dabei  geht es also um die Notwendigkeit, Strukturen zu etablieren, mit denen zukünftige Resilienz gestaltet werden kann.

Unter dieser Zieldimension scheint eine verstärkte Hinwendung zum Ansatz des transformativen Lernens folgerichtig:
Denn transformative Lernprozesse sind in ihrem Potenzial vielversprechend, regionale Akteure dazu zu befähigen, ihr eigenes Handeln bewusst in den Kontext stattfindender Umbrüche einzubetten, diese Umbrüche durch ein umfassendes Problemverständnis neu zu bewerten und zu interpretieren und so mit Hilfe neuer Perspektiven andere Umgangsformen mit gegenwärtigen und kommenden Herausforderungen erarbeiten zu können. Wenn dabei vor allem auch solche Umgangsformen und Gestaltungsmöglichkeiten in den Fokus geraten, die zuvor noch außerhalb des bekannten Referenzrahmens lagen, wäre dies eine echte
Transformation, ein wirklicher Kulturwandel. Mit diesem Ansatz soll Resilienz nicht geschaffen, sondern die Fähigkeit zu Resilienz durch emanzipatorische und kollektive Prozesse des transformativen Lernens erworben werden.

Dabei gehen wir davon aus, dass Erzählungen und Narrative als Ansatzpunkt und Methode besonders geeignet sind, um diese  Prozesse des transformativen Lernens zu initiieren, zu begleiten und auszuwerten. 
Denn wenn Mensch denkt, dann deutet er Daten, die in seinem Wissenssystem strukturiert sind. Diese Deutungen teilt er anderen am besten über Metaphern und über Aktionen handelnder Menschen mit – also über Geschichten. Über dieses gegenseitige Erzählen suchen und initiieren Menschen Resonanz, (Wirkung für Akzeptanz, Verhalten, Handlungsmotivation). Was, mit welchem Framing gegenseitig erzählt wird, hängt von tiefliegenden Erklärmustern, den Narrativen ab. Das sind die individuellen wie kollektiven Weltsichten und Weltbilder, die eine schlüssige Erklärung geben, wie die Welt funktioniert und damit jenen Orientierungsrahmen bilden, in welchem gegenwärtige und künftige Handlungen eingebettet sind (Müller-Christ et al., 2020).

 

 

Dieser Orientierungsrahmen kann durch transformative Lernprozesse reflektiert, bewertet, umgedeutet und neu ausgerichtet werden. 

Vor dem Hintergrund der Forschungsfrage, wie Erzählungen über Kommunikation zum Lernmedium werden, gerät also auch die zentrale Bedeutung des Narrativs für regionale Handlungskulturen in den Mittelpunkt. Zu fragen ist danach, welche “alten”, beharrenden kollektiven Narrative in der Region dominieren und Transformationsimpulse “kommentieren”. Durch eine Hinwendung zu diesen kollektiven Narrativen wird es möglich, die gegenwärtig präsente und kulturell verankerte Art und Weise der Problemwahrnehmung und –Verhandlung im intersubjektiven Diskurs der Region zu erschließen. Davon ausgehend können entsprechende Lernanlässe der Bildungslandschaft direkt an die Erfahrungen, Wahrnehmungen, Bedürfnisse sowie Ängste und Hoffnungen – kurz: den regionalen Referenzrahmen und kollektiven Bezugspunkt für transformatives Handeln – geknüpft werden (Borner et al., 2019).

Ebenso scheint durch das Hervorbringen neuer Erzählungen auch eine Intervention in den regionalen Referenzrahmen geeignet, um jene “kognitive Dissonanz” sagbar zu machen, welche nach Mezirow (2003) Anlässe für transformative Lernprozesse bildet. Indem das in der Alltagskommunikation versteckte Wissen mit vielseitigen wissenschaftlichen Informationen, Prognosen und Erkenntnissen verknüpft wird, werden die wissenschaftlichen Prognosen auch in Form von verständlichen Erzählungen Teil der Alltagskommunikation.  Mittels entsprechender Gegenerzählungen kann so das präsente Bezugssystem im Rahmen der Alltagskommunikation durch Kontroverse und die Integration verschiedener Erzählungen über mögliche Zukünfte und zukünftige Entwicklungen reflexiv hinterfragt, möglicherweise aufgebrochen und anschließend umgedeutet werden. Somit werden “Gegenerzählungen” im Fall der Malchiner Bildungslandschaft als „Boundary Objects“ verstanden, die Möglichkeitsräume für transformative Lernprozesse eröffnen.

In diesem Sinne scheint eine Auffassung von Narrativen und Erzählungen als Lernmedium vielversprechend, um im Rahmen der Reallaborarbeit 

1) Verhandlungsmuster und Begegnungsstrategien mit gegenwärtigen und kommenden Herausforderungen  nachzuvollziehen;
2) über die Kontroverse und den Austausch im regionalen Diskurs verschiedene Perspektiven auf ganzheitliche und vernetzte Problemlagen zu gewinnen;
3) entsprechende „Gegenerzählungen“ zum präsenten Referenzrahmen anzubieten und damit transformative Lernanlässe zu schaffen; sowie
4) durch ein mögliches Auffinden von Veränderungen regionaler Erzählstrukturen Hinweise darauf zu gewinnen, ob die vorangetriebenen Handlungsentwürfe und Transformationsbemühungen eine reflexive Neuausrichtung im kollektiven Denken und Handeln mit einschließen.

Methode

Zur empirischen Datenerhebung wird dabei auf die Methodik der problemzentrierten Interviews (PZI) nach Witzel (2000) zurückgegriffen. Die Interviewführung erfolgt wiederkehrend im Laufe der Reallaborarbeit mit ausgewählten Teilnehmenden. Dies ermöglicht, potenzielle  Umdeutungen des kollektiven  Referenzrahmens (verstanden als potentielle Ergebnisse transformativen Lernens) im Vergleich der erhobenen Interviews zu erfassen. Die erhobenen Interviews werden mit Hilfe einer Narrativanalyse ausgewertet. Der Fokus liegt dabei auf den subjektiven Erfahrungen der Erzählenden, den Bezug zwischen Wissen und Tun, der persönlichen Involviertheit in wahrgenommenen Veränderungsprozessen sowie der dargelegten Verantwortung und dem Vermögen, diese Prozesse der Transformation eigenmächtig zu gestalten.
Neben der Datenerfassung  durch PZI und Narrativanalyse bilden auch die bereits erwähnten “Gegenerzählungen” in Anlehnung an die Methode der Narratives  of Change (Marschütz et al., 2020; Krauß, 2020) ein wichtiges methodisches Instrument des Malchiner Reallabors. Sie dienen als Ansatzpunkt der Intervention in den kollektiven Referenzrahmen. Die Integration verschiedener Gegenerzählungen in die gemeinsame Arbeit von Teilnehmenden und wissenschaftlicher Begleitung ermöglicht es, Anreize zu schaffen, auch außerhalb gewohnter Erzählungen, Annahmen und Wahrheiten (Narrative) über die Herausforderungen und Chancen der Region nachzudenken. Es sind gerade diese Gegenerzählungen, die in Form einer Sensibilisierung für die Unsicherheit und Unwägbarkeit der anthropozänen Veränderungen jenen Irritationsprozess herbeiführen sollen, welcher letztlich die transformativen Lernprozesse ermöglichen soll. Die entsprechenden Gegenerzählungen sollen dabei bei den im Rahmen der Bildungslandschaft stattfindenden Bürgergespräche (Pop-Ups), Workshops und Praxisveranstaltungen vorgetragen werden. Anlässe.

Aufbau

Die Bildungslandschaft ist als inhaltliche und infrastrukturelle Vernetzung von Lernorten und Innovationstreibern zu verstehen. Sie entsteht mit und durch die aktive Beteiligung der regionalen Akteure, bindet diese in ihre Gestaltung und fortlaufende Anpassung mit ein und wächst organisch und prozessual im analogen und digitalen Raum.

Während dabei an den analogen Lernorten Erfahrungen und Wissen im Rahmen von Workshops und Veranstaltungen zum Mitmachen angeboten werden, bietet die digitale Plattform der Bildungslandschaft Möglichkeiten zum Austausch, zur weiteren Aneignung regionalen wie externen Expert*innenwissens durch Beiträge und Online-Seminare sowie Gelegenheit zur Vernetzung und Gruppenfindung für die Umsetzung eigener Projektideen. Das Tool der “Projekt-Schmiede”, d.h. die Planungs-, Reflektions- und Dokumentationsmethodik des “Machens” steht dabei im Zentrum der Bildungslandschaft und bildet die Schnittstelle zwischen analogem und digitalem Raum.

Die Benennung von Bedarfen, das Auffinden entsprechender regionaler und externer Wissensträger*innen sowie die Planung und Durchführung themenzentrierter und zielgruppenspezifischer Veranstaltungen und passender Lehr- und Lernangebote (analog und digital) stellt ein iteratives Verfahren forschenden Lernens dar, an dem die Akteur*innen sowie die externe Vorhabensbegleitung gleichermaßen beteiligt sind und an deren jeweiligem Schlusspunkt generiertes Anwendungswissen erprobt und überprüft werden kann.

Wirkung

Im Rahmen des Malchiner Reallabors soll Resilienz nicht geschaffen, sondern Resilienzfähigkeit erworben und in der Anwendung verstetigt werden. Damit lässt sich die angestrebte Wirkung der Malchiner Bildungslandschaft im weitesten Sinne als sozialer Tipping Point, als ein Kulturwandel beschreiben. Es geht hier um eine nachhaltige Langzeitwirkung durch die Transformation mentaler Infrastrukturen und Umdeutung kollektiver Referenzrahmen. Die Befähigung, den Veränderungen und Umbrüchen der unmittelbaren Lebensumwelt emanzipiert, vor dem Hintergrund eines ganzheitlichen Problembewusstseins und kollektiv zu begegnen, wird gegenüber symptombezogenen technischen Innovationen als wahrhaft nachhaltige Strategie zur großen Transformation, zu eigener Daseinsvorsorge und regionaler Resilienz (als Fähigkeit und nicht als Zustand) aufgefasst.

Diese Wirkung soll durch Prozesse des „Scaling Deep“ (Lam et al., 2020:16) erreicht werden: Dabei geht es darum, dass die Akteure ihre Werte, Normen und Überzeugungen durch die Arbeit im Reallabor reflexiv hinterfragen können, indem neue Denkweisen gefördert und neue Wege der Beziehung und des Wissens sowie neue Wertesysteme eingeführt werden. “Scaling Deep” bedeutet also für das Vorhaben in Malchin: Durch die Intervention in den kollektiven Referenzrahmen der regionalen Problemverhandlung Möglichkeiten transformativer Lernprozesse auch auf Ebene des Individuums durch eine Umdeutung der das regionale Handeln kommentierenden und beschränkenden Narrative zu ermöglichen. Indem durch die Lernorte und Wissensträger*innen nach und nach verschiedene Problem- und entsprechende Handlungsfelder der Regionalentwicklung dargestellt und bearbeitet werden entsteht eine größere Erzählung darüber, wie die dringenden Veränderungen und Anpassungen in der Region durch die Bürger*innen selbst gestaltet werden können. Einzelne Akteure werden durch die Kooperation im Rahmen der Bildungslandschaft zu neuen transformativen Zellen. Sie werden Multiplikator*innen eines Kulturwandels, einer Transformation, einer veränderten Art und Weise, sich den regionalen Herausforderungen anzunähern, diese zu beschreiben, zu untersuchen -und entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten für einen Umgang mit diesen Herausforderungen zu finden.

So schließt der durch die Intervention der Malchiner Bildungslandschaft angestrebte Kulturwandel die Fähigkeit mit ein, in Alternativen zu denken und beinhaltet ebenso Prozesse des Neu-Lernens sowie verinnerlichte Normen, Haltungen und Handlungsmuster zu hinterfragen. Individuell und kollektiv. Die Auswertung der durchzuführenden Interviews und eine kritische Reflexion nach Abschluss des Projektes wird zeigen, ob durch eine erzählende Intervention in den kollektiven Referenzrahmen der Region Prozesse transformativen Lernens in der Bearbeitung der regionalen Handlungsfelder angestoßen werden konnten.

Gerade weil transformative Lernprozesse als Wirkung nur schwer zu fassen sind und auf nachhaltige Veränderungen im regionalen Geschehen und Handeln über einen langen Zeitraum abzielen, ist und bleibt dies ein Versuch. Sollte es hierbei zu vielversprechenden Ergebnissen kommen, wäre dies ein weiterer Anlass, die Hinwendung zu narrativen Formen des transformativen Lernens im Rahmen von Reallaboren weiter zu erforschen. Wir hoffen, mit Abschluss des Projektes erste Ergebnisse aufbereiten und kritisch reflektieren zu können.

Der Essay wollte die sinnvolle Perspektive des transformativen Lernens innerhalb von Prozessen nachhaltiger Reallabore erschließen und dabei das wissensbasierte Erzählen als Lernform entdecken. Welche methodischen Konsequenzen daraus für die Ko-Konstruktion von Reallaboren erwachsen, konnte nicht behandelt werden – doch es gibt sie.

Das Lernprojekt „Sichtbarkeit! Für Kulturschaffende und Initiativen in der Mecklenburgischen Schweiz “ wird innerhalb des Programms Kultur.Gemeinschaften,  Neustart Kultur der Kulturstiftung und des Ministeriums für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten gefördert