Non-formale Bildung im Kontext multipler Krisen

Enquete-Kommission „Jung sein in M-V“ des Landtages Mecklenburg-Vorpommern

Stellungnahme
zur Enquete-Sitzung 7.6.2024 – Non-formale Bildung
Projekthof Karnitz e.V.  _  Karnitz 9  _  17154 Neukalen
www.projekthof-karnitz.de

  1. Herausforderungen an Träger non-formaler Bildung und die Rolle lokaler Gemeinschaften

In den vergangenen 10 Jahren haben sich schrittweise die Herausforderungen qualitativ verändert: Heute ist die Bildungsfrage v.a. die, wie komme ich als Lernender oder als lernende Einrichtung mit den vielen Unsicherheiten in den Veränderungen klar. Wie bewältige ich die Multikrisen oder wie stelle ich mich ein auf die Transformationen: Energiewende, Digitalisierung und KI, demografischer Wandel, Klimafolgen, neue Landnutzung (Moorvernässung), Lebensqualität in Dörfern und Ankerstädten u.v.a. Das sind alles komplexe Fragestellungen, die im Alltag vorkommen und dort sehr unterschiedlich und kontrovers diskutiert werden. Für Bildungsträger bedeutet das a) die Alltagswirklichkeit an zentraler Stelle und proaktiv in die Lernangebote aufzunehmen und die Lernformate entsprechend anzupassen und b) Lernangebote an Umsetzungsmaßnahmen und Projekte der Veränderungen zu binden: Wozu, für welche Veränderungen braucht es welches Wissen, Handwerkzeug, Partner und Hintergrundorientierung.

Offensichtlich haben die Bildungsträger nicht einfach nur andere Lernangebote zu entwickeln, sondern sich selbst in ihrer Rolle als zunehmend bedeutender Teil des Bildungssystems neu zu definieren und zu qualifizieren. Transformatives Lernen ist das Stichwort, was v.a. in der Praxis stattfinden muss.
Bezogen auf Jugendliche geht es um zukunftsbezogene Lebensentwürfe (Orientierungen), die reale Perspektiven in Beruf und Lebensweise aufmachen (gegen Pessimismus anhalten) und v.a. Situationen schaffen, in denen Selbstwirksamkeit erfahren werden kann.

Die Lebenswirklichkeit junger Lernender ist v.a. in ihrem Sozialraum (lokale/regionale Gemeinschaft) angesiedelt. Die zukunftsorientierte Lernunterstützung in dieser Lebenswelt kann nicht von einem Bildungsträger allein geleistet werden. Gebraucht werden regionale/kommunale Bildungslandschaften, in denen Bildungsträger und Lernorte sich professionell vernetzen und flexibel auf sich verändernde Lernnachfragen einstellen. In der Mecklenburgischen Schweiz führen wir z.Z. einen Piloten durch, der eine digitalgestützte Bildungslandschaft mit analogen Lernorten verknüpft. (www.unsereschweiz/bildungslandschaft ) Diese Art der Bildungslandschaft ist ein Netz von Bildungsträgern und Lernorten, die sich in Feldern von zukunftsfähiger Daseinsvorsorge und Resilienzfähigkeit bewegen.

Die Motivation Jugendlicher für nonformale/informelle Lernangebote sind a) Projektformate, durch die Selbstwirksamkeit erfahren werden kann, b) Lernarrangements, in denen sowohl Wissen und Handwerkzeug, als auch Werte, Motivationen und Zukunftsbilder vermittelt werden (Kompetenzorientierung/future-skills), c) interaktive Erzählformate mit emotionalen Handlungssituationen.

  1. Zusammenarbeit formal-nonformal

Die Zusammenarbeit mit dem Fritz-Greve-Gymnasium Malchin /BNE-Modellschulen ist seit 15 Jahren sehr gut.

Für die Zukunft ist eine curriculare/didaktische Verzahnung von formalen Fachdidaktiken und realweltlichen Lernsituationen anzugehen. Wenn man so will, geht es um ein gemeinsames Bildungsziel und nicht nur eine Addition verschiedener Lernangebote. Das Schulprogramm sollte die Angebote inhaltlich und methodisch integrieren. Das schließt Qualifizierungen beider Bildungsträgerformen ein.

Damit soll auch gesagt sein, dass nonformale Angebote in den Ganztag gehören. Um die Anerkennung nonformaler Qualifikationen zu sichern bieten sich Verfahren der Kompetenzevaluierung an (Profilpass z.B.). Das passt in den deutschen und europäischen Qualifikationsrahmen.

  1. Bildungssegmente

Die kulturellen Bildungsangebote sind sicher ähnlich ambitioniert, wie in den anderen Flächen-Bundesländern. Zum Vergleich haben wir keine empirischen Grundlagen. Was jeder weiss: die Angebote in den städtischen Regionen sind in Quantität und Vielfalt deutlich größer als auf dem Dorf. Das trifft ebenso für die Medien-, die politische und Klimabildung zu. Das Problem könnte kleiner werden, wenn diese nonformalen Angebote auch bildungsorganisatorisch in Ganztagsschulen eingebunden werden.

Wahrscheinlich wird dann auch deutlich, dass sich bei einer Reihe von Themen produktive Überschneidungen ergeben: z.B. bei der Klimabildung – hin zur politischen Bildung – BNE und kulturellen Bildung. Die ausserschulischen Lernorte sind dabei struktureller Bestandteil.

Wenn die Verbindung von formalen und nonformalen Angeboten nur zufällig entsteht, ist viel verschenkt. Wenn sich beide Träger als Partner verstehen und strategisch zusammenarbeiten, lassen sich jedoch erweiterte Lerneffekte erzielen. Die Integration (thematische und didaktische Abstimmung) von Angeboten und Lernorten in die Schulprogramme wäre eine qualitativ neue Stufe der Zusammenarbeit. In diesem Kontext erscheint es uns wichtig, die Rolle der Bildungsberatung in lokalen Gemeinschaften zu betonen. Diese Bildungsberatung kann ein wichtiges Instrument der Vernetzung in Bildungslandschaften sein – neben der Rolle, Jugendliche zu unterschiedlichen Lernmöglichkeiten hinzuführen (einschliesslich der Berufsorientierung).

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