Nachhaltiges bauen lohnt sich! Kompetitive Baukosten, einfache Instandhaltung und gut für die Umwelt. Wiederentdeckte Baustoffe wie Holz, Stroh und Hanf bieten viel und noch mehr für ihre Nachfahren.
Einleitung
Gebäudeplanung, Hausbau, oder Renovierung. Egal welche dieser Aufgaben in Angriff genommen werden, der Planungsaufwand ist massiv. Das jetzt auch noch auf Emissionen und Nachhaltigkeit geachtet werden soll, ist für viele Verantwortliche eine weitere Belastung, hat aber gute Gründe.
Denn der Klimawandel ist schon voll da. Die Durchschnittstemperatur in Mecklenburg-Vorpommern ist im Vergleich zu 1881 um 1,3°C gestiegen und wird in Zukunft nur noch stärker steigen.[1] Dazu kommt ein nasserer Winter und trockener Sommer, sowie zunehmende Extremwetter-Ereignisse.[2] Die potenziellen Folgen erstrecken sich von Ernteausfällen, über Trinkwasserknappheit, bis hin zu Küstenrückgang.[3]
Was wir noch beeinflussen können, ist wie stark sich das Klima wandelt.[4] Einer der größten Hebel: Der Bausektor. Er hat das Potenzial sich in einen der größten Hoffnungsträger im Kampf gegen den Klimawandel zu entwickeln, ist derzeit aber mit seinen Emissionen, Ressourcen-, und Platzhunger der größte Treiber des Klimawandels in Deutschland.
Zu viele Emissionen
Gebäudebetrieb und Bauwesen dominieren den Austausch von Emissionen weltweit mit 38% am Gesamtausstoß.[5] Dabei geht es sowohl um die Emissionen beim Bau sowie im Betrieb. Allein die weltweite Zementproduktion vereint 4% der jährlichen Emissionen unter sich und deutsche Haushalte sind immer noch für 15% aller Emissionen in Deutschland verantwortlich.[6] Um fatale Auswirkungen auf unsere ökologische Lebensgrundlage zu verhindern, benötigen wir ein rasches Umdenken bei der Planung, dem Bau und dem Betrieb von Gebäuden.
Immer weniger Ressourcen
Inzwischen ist vielen Menschen bewusst, dass „seltene Erden“, die in unseren Smartphones Verwendung finden, knapp werden.[7] Aber wer ist sich bewusst, dass Kupfer in den nächsten 35 und Zink in den nächsten 10 Jahren zur Neige gehen?[8] Dem gegenüber steht der gewaltige Ressourcenhunger der Baubranche: Etwa 55% des Abfallaufkommens Deutschlands kommt aus dem Bauwesen.[9] Mehr denn je sieht sich der Bausektor mit der Frage konfrontiert, mit welchen Ressourcen in der Zukunft gebaut werden kann.
Immer weniger Platz
Wir werden weniger, aber zwischen 1992 und 2020 wurden im Schnitt 170 km² pro Jahr in Deutschland versiegelt.[10] Damit gehen wichtige Bodenfunktionen, vor allem die Wasserdurchlässigkeit und die Bodenfruchtbarkeit, verloren. Sinkende Grundwasserstände und die erhöhte Gefahr von Überflutungen sind die Folge.
Zieht man Flächen ab, die für die Landwirtschaft, Industrie, Rohstoffabbau, Mobilität, Erholung und nicht zuletzt für Wälder und Natur benötigt werden, sind heute bereits 43,7 % möglicher Siedlungsgebiete versiegelt.2 Rechnet man den obligatorischen Hintergarten mit, bleibt nicht mehr viel Fläche für neue Gebäude übrig. Es stellt sich also die Frage, wie wir der Raumverknappung vorbeugen können.
Wie funktioniert also der nachhaltige Bau, wenn so wenig Platz und Ressourcen verbraucht und Emissionen verhindert werden sollen, ohne dabei das Portemonnaie überzustrapazieren?
Fläche
Um der Versiegelung entgegenzuwirken, gibt es diverse Möglichkeiten, an die man möglicherweise nicht gleich denkt. Zuallererst sollte die Frage geklärt werden, ob ein Neubau überhaupt nötig ist. Insbesondere für Firmen ist es oft ökonomischer bestehende Gebäudeflächen effizienter zu nutzen, aber auch wachsende Familien können bestehende Immobilien durch effiziente Raumkonzepte länger nutzen. Eine weitere Möglichkeit ist, bestehende Gebäude durch eine weitere Etage aufzustocken. Sind diese Maßnahmen nicht ausreichend, kann nach Immobilien gesucht werden, die renoviert werden können, anstatt einen Neubau zu initiieren.
Wenn ein Neubau gewünscht ist, sollte darauf geachtet werden, dass bereits versiegelte Flächen für den Neubau genutzt werden, wie zum Beispiel der Grundriss eines ehemaligen Gebäudes. Doch selbst, wer sich für den Neubau entscheidet, kann Boden entsiegeln, statt zu versiegeln. In dem ein Gebäude auf Pfähle gesetzt wird, können Klein- und Kleinstlebewesen unter dem Haus weiterleben. Wer nicht auf den Keller verzichten kann, kann bei der Materialienauswahl einen großen Nachhaltigkeitseffekt erzielen.
Baustoffe & Lieferwege
Baustoffe nachhaltig zu beschaffen, wird eine der großen Herausforderungen der Transformation hin zu nachhaltigerem Bauen. Da geht es einmal um die längst mögliche (Wieder-)Verwendung und dem Recycling der Baustoffe, als auch um die Gewinnung und Verarbeitung der Baustoffe. Wie oben erwähnt, hat Beton einen riesigen CO²-Fußabdruck, dominiert aber weiterhin den Markt.
Eine konterintuitive Empfehlung an dieser Stelle ist deshalb: Warten. Wer mit dem Neubau warten kann, hat in den kommenden Jahren Zugriff auf diverse nachhaltige Alternativen zu CO²-intensiven Baustoffen wie herkömmlicher Beton (bzw. Zement). Diese werden gerade erforscht oder Marktreif gemacht. Beispiele dafür sind Bauen mit Carbon, statt mit Stahl, oder CO² neutralem Beton.
In die Nachhaltigkeit der Baustoffe zählen außerdem die Lieferwege. Die EU kann nur 9% der genutzten Ressourcen aus den eigenen Quellen decken. Der Rest muss international beschafft werden.[11] Jeder gefahrene Kilometer erhöht die CO²-Emissionen der Baustoffe, weshalb sie möglichst lokal beschafft werden sollten. In Mecklenburg Vorpommern werden diverse Baustoffe regional produziert, die auch in den Best-Practice Beispielen dargestellt werden. So setzt HALM zum Beispiel auf regionales Stroh und Holz, um Gebäude zu isolieren und zu bauen.
Baustoffe, Lebensdauer & Zirkularität
Für wen die Immobilie eine Anlage in die Zukunft ist, kommt um ein Konzept, um die Langlebigkeit des Gebäudes zu garantieren und zirkuläres Bauen nicht herum.
Derzeit wird Wirtschaftsgebäuden nur eine Lebenszeit von 30-50 Jahren zugerechnet, Einfamilienhäusern immerhin 60-100 Jahre.[12] Gleichzeitig leben viele Deutsche in Gebäuden die weit über 100 Jahre alt sind, täglich fahren wir an Kirchen vorbei, die mehrere Jahrhunderte überdauert haben. Wer mit heutigen Gebäuden die Jahrhundertmarke knacken möchte, muss sich vor allen Dingen um die Instandhaltung des Gebäudes kümmern. Für Instandhaltung und Reparatur sollten pro Jahr 20 €/m² zurückgelegt werden. Für ein normales Wohngebäude mit 120 m² sind das 2.500 €. So sparen sich in 30 Jahren 75.000 € an, die für Reparaturen benötigt werden.[13]
Bei wirtschaftlich genutzten Hallen und Fabriken braucht es über längere Zeiträume kreative Lösungen: So wurde zum Beispiel „die Scheune“ in Bollewick bis 1991 als Stall für 650 Kühe genutzt und ist jetzt ein florierendes Kulturzentrum mit Werkstätten und Geschäften.
Wer so weit in die Zukunft denkt, sollte auch an die Zirkularität der Gebäude denken. Denn die begrenzten Baustoffe werden immer teurer und durch die Auswahl von recyclingfähigen Materialien, wird die Immobilie in einem zweiten Leben zur urbanen Baustoff-Mine. So werden jetzt schon historische Gebäude Stein für Stein abgetragen und wieder zum Verkauf angeboten.[14] Das schont nicht nur die Umwelt, sondern ermöglicht einen finanziellen Gewinn, beim normalerweise teuren Rückbau des Gebäudes.
Um zirkulär Bauen zu können, muss bei der Baustoffauswahl auf die Homogenität, Trennbarkeit und Schadstofffreiheit der Materialien achten[15]:
- Die Homogenität bedeutet, dass möglichst wenig unterschiedliche Materialien in einem Gebäude verwendet werden. So müssen schlussendlich weniger unterschiedliche Recyclings/Entsorgungswege berücksichtigt werden.
- Die Trennbarkeit: Sind Baustoffe verklebt, ist eine Trennung, und damit ihre Wiederverwendung schwierig. Werden sie zum Beispiel verschraubt, ist eine Trennung einfach möglich.
- Schadstofffreiheit hebt nicht nur die Raumgesundheit, sondern sorgt bei recycelbaren Baustoffen dazu, dass sie öfters recycelt werden können.
Bei der Auswahl der Baustoffe/-produkte werden im Idealfall auch die für den Unterhalt, die Wartung, Reinigung und Pflege entstehenden Kosten berücksichtigt (Glas, Bodenbeläge, Sonnenschutz, …). Ein Baustoff oder Bauteil sollte jedoch nie einzeln, sondern immer im Gebäudekontext betrachtet werden. Dies betrifft vor allem die Lebensdauer der unterschiedlichen Materialien.
Gut geeignet sind Baustoffe mit ähnlich langen Lebenszyklen, denn so wird gewährleistet, dass weniger ausgetauscht werden muss und kein großer Aufwand/hohe Kosten durch Sanierungsmaßnahmen entstehen bzw. dass Baustoffe/-teile vor Ablauf ihres eigentlichen Lebenszyklus‘ ausgebaut oder entsorgt werden müssen.
Weiterführende Links
Umweltbundesamt kostenloser Online-Kurs Bauen und Wohnen
https://www.umweltbundesamt.de/umweltatlas/bauen-wohnen/einfuehrung/bauen-wohnenhaushalte/bauen-wohnen-haushalte
Fallbeispiele Gebäudesanierung
https://www.e-genius.at/lernfelder/erneuerbare-energien
Informationen zu Umwelttechnologien und material- und energieeffizienten Prozessen
https://www.ressource-deutschland.de/themen/bauwesen/
Nachhaltiges Bauen im Unterricht
https://www.umwelt-im-unterricht.de/hintergrund/nachhaltiges-bauen-energieeffizient-nachwachsend-und-recyclingfaehig
Förderdatenbank „Nachhaltiges Bauen“
https://www.ressource-deutschland.de/themen/bauwesen/foerderprogramme/
KFW Erklärung zur Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Bundesf%C3%B6rderung-f%C3%BCr-effiziente-Geb%C3%A4ude/
Bauen mit Stroh Podcast
https://www.deutschlandfunkkultur.de/strohballenhaeuser-mit-nachwachsendem-rohstoff-klimafreundlich-bauen-dlf-kultur-42142335-100.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
Was Lehm zum Baumaterial der Zukunft macht
https://perspective-daily.de/article/2346-was-lehm-zum-baumaterial-der-zukunft-macht/ZL1VbhQA
Quellenverzeichnis
[1] Heinrich u. a., Klimareport Mecklenburg-Vorpommern, 14.
[2] Heinrich u. a., 38; IPCC, 2022, „Summary for Policymakers [H.-O. Pörtner, D.C. Roberts, E.S. Poloczanska, K. Mintenbeck, M. Tignor, A. Alegría, M. Craig, S. Langsdorf, S. Löschke, V. Möller, A. Okem (eds.)]“.
[3] Kambor, „Regionale Klimafolgen in Mecklenburg-Vorpommern“.
[4] IPCC, 2022, „Summary for Policymakers [H.-O. Pörtner, D.C. Roberts, E.S. Poloczanska, K. Mintenbeck, M. Tignor, A. Alegría, M. Craig, S. Langsdorf, S. Löschke, V. Möller, A. Okem (eds.)]“.
[5] United Nations Environment Programme, „2020 Global Status Report for Buildings and Construction: Towards a Zero-emission, Efficient and Resilient Buildings and Construction Sector.“
[6] Andrew, „Global CO2 Emissions from Cement Production, 1928–2018“; Wilke, „Energiebedingte Emissionen“.
[7] de Boer und Lammertsma, „Scarcity of Rare Earth Elements“. https://doi.org/10.1002/cssc.201200794
[8] Über Nachhaltiges Bauen | Architektin Annette Hillebrandt – Jung & Naiv: Folge 521, 2021. https://www.youtube.com/watch?v=EppUe5FN36s.
[9] Über Nachhaltiges Bauen | Architektin Annette Hillebrandt – Jung & Naiv.
[10] Wilke, „Bodenversiegelung“. https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/boden/bodenversiegelung
[11] Über Nachhaltiges Bauen | Architektin Annette Hillebrandt – Jung & Naiv.
[12] Bauprofessor. „Nutzungsdauer von Gebäuden“. Bauprofessor.de. Zugegriffen 23. November 2022. https://www.bauprofessor.de.
[13] Baumensch, „Wie lange hält ein Haus | Die Lebensdauer einer Immobilie“. https://baumensch.de/wie-lange-haelt-ein-haus/
[14] Nachhaltigkeit: Die Baustoff-Jäger | Die Nordreportage | NDR Doku, 2021. https://www.youtube.com/watch?v=Z29MfPQ3yQI.
[15] BauNetz, „Recycling | Nachhaltig Bauen | Baustoffe/-teile | Baunetz_Wissen“. https://www.baunetzwissen.de/nachhaltig-bauen/fachwissen/baustoffe–teile/recycling-675291