Mitten im Wald, direkt am Fernradweg Peenetal, liegt Voelschow Berg. Vor knapp dreizehn Jahren hat Christoph Peisker die ehemalige Waldgaststätte im Demminer Stadtwald vor dem Verfall gerettet. Mittlerweile ist das Haus, welches schon um 1780 in schwedischen Matrikelkarten erwähnt worden sein soll, beliebter Veranstaltungsort. Auch die Opernale hat hier bereits Halt gemacht.
Festwiese, Schützenhaus, Waldspielplatz – sogar Tennisplätze soll es im nahen Umkreis gegeben haben. Vieles ist lange her, aber Christoph Peisker und Hannah Kuke bringen wieder neues Leben an diesen Ort. Hochzeiten, Firmenfeiern und Kulturveranstaltungen – sie sind für alles ausgestattet. Es gibt Barbereich und Küche, einen großen Saal und einen kleinen. Mit der Peene fast hinterm Haus kann Voelschow Berg ebenfalls punkten. Auch Tollense und Trebel sind nicht weit. Als es Hannah Kuke vor zehn Jahren der Liebe wegen aus Köln an diesen Ort zog, war sie erst etwas überfordert mit diesem riesigen Gemäuer. „Für uns alleine als Familie empfand ich die 900 Quadratmeter immer als viel zu groß“, erzählt sie. Aber mit der Entwicklung zu einem besonderen Veranstaltungsort ergab sich eine Perspektive. Zusammen mit Partner Christoph Peisker, der sich auf Pyrotechnik bei Konzerten und Veranstaltungen spezialisiert hat, versucht sie den Ort vor allem auch als Konzert- und Festivalort zu etablieren. Verschiedene Bands haben ihn längst für sich entdeckt und kommen gerne zum Proben mitten im Wald vorbei. Metal, Jazz, die Bandbreite ist groß.
Metal-Festival „Ghosts of Dinmin 2023“, 1./2. Septbember 2023
Seit 2018 entwickelt der Verein Natürlich Lernen am Tollensetal e.V. (gegründet 2015) das Gelände des ehemaligen Schullandheims in Tückhude bei Alt Tellin zu einem Ort, an dem Natur, Kultur und Bildung auf verschiedene Weise miteinander verzahnt wird. So ist seit 2019 ist an diesem Ort der Wald- und Wiesenkindergarten WaWiKi zu Hause. Aktuell laufen die Planungen für eine Freie Schule, eine Begegnungsschule, die zum Schuljahr 2024/25 ebenfalls an diesem Ort eröffnet werden soll. Hervorgegangen aus einer Elterninitiative wurde das weitläufige Areal in Tückhude stetig weiterentwickelt. „Green Peng“ nannten sie das Projekt, mit dem sie 2021 als Neulandgewinner ausgewählt wurden. Mehr als 30 Akteur*innen, darunter u.a. Künstler*innen, Pädagog*innen, Wissenschaftler*innen, Handwerker*innen und vor allem Ehrenamtliche wirken im Verein mit. Ein umfangreiches Angebot haben sie entwickelt, etwa das Theaterprojekt „Die Grüne Bühne“ und den wöchentlichen Kunstklub – zwei Kreativangebote für Kinder und Jugendliche. Wer sich nicht ins Schullandheim traut, kann am Kunsthänger kreativ werden. Einen ehemaligen Marktwagen, der einst in Altentreptow seine Dienste tat, hat das Team dafür komplett zu einer rollenden Kunstwerkstatt umgebaut. Damit touren sie in der warmen Jahreszeit durch die umliegenden Gemeinden und laden Kinder zum Mitmachen ein.
Aktiv werden, selber gestalten und dort Strukturen entwickeln, wo es zuvor keine gab – das verbindet die Akteure in Tückhude. Vieles ist schon geschafft und doch gibt es noch viel zu tun. Die Freude am Planen und Ideenschmieden ist groß. Ein starkes und aktives Netzwerk mit den umliegenden Gemeinden und Initiativen stützt die Arbeit, da sich viele kleine Initiativen zu einem großen Netzwerk verbinden.
„Wir definieren uns als zukunftsfähiger und kreativer Begegnungs- und Lernort für alle. Unser Ziel ist es, Menschen zu verbinden und Bildung als Mittel für gesellschaftlichen Zusammenhalt und zukunftsfähiges Leben auf dem Land zu etablieren. Dabei soll ein achtsamer Umgang mit der Natur das ökologische Bewusstsein stärken und zu einer positiven Mitgestaltung der Landschaft motivieren“, sagt Alina Wander vom Vereinsvorstand. „Unser Miteinander ist durch Offenheit und Vielfalt, Gleichberechtigung und kritisches Denken geleitet. Wir streben Nachhaltigkeit, Selbstverwirklichung, Emanzipation, Freiheit und Solidarität an. Wawito verwirklicht diese Werte nicht nur innerhalb der Projekte, sondern bringt diese auch in gesamtgesellschaftliche und politische Prozesse aktiv ein.“
Mit dem Landkombinat e.V. aus Gatschow und dem Fritz Greve e.V. aus Malchin bildet der Verein das regionale Netzwerk „Lernen im Fluss“, welches Menschen und Orte in der Region für eine Bildung der Zukunft verbindet und weiter zusammenwachsen lässt.
Seit 2018 gibt es den Verein, der sich Projekte in Kultur, Gesellschaft und Bildung in Demmin auf die Fahnen geschrieben hat. Der Name T30 steht übrigens für dessen Anschrift in der Treptower Straße 30. In dieser zentralen Lage versucht der Verein, auf Kunst und Kultur aufmerksam zu machen und gesellschaftliches Engagement zu fördern. Dabei sind der gemeinsame Austausch und die Vernetzung besonders wichtig. So hat das Team um Sarah Dittrich und Hannah Kuke ein Vereinsnetzwerk gegründet, um die Engagierten in Demmin zusammenzubringen. „Immerhin hat die Stadt laut Vereinsregister 70 Vereine“, sagt Hannah Kuke. „Auf die 10.000 Einwohner gerechnet, ist das schon sehr viel.“ Um diese alle sichtbarer zu machen und miteinander ins Gespräch zu kommen, finden regelmäßige Netzwerktreffen mit Weiterbildungsangeboten und Workshops zu verschiedenen Themen rund um das Vereinsleben statt. Aber auch viele andere Projekte hat der T30-Verein (https://www.t30-demmin.de/) schon ins Leben gerufen. Etwa ein Zeitzeugencafé zur Aufarbeitung der bewegten Geschichte der Stadt, insbesondere zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Bereits zweimal zählte der Verein auch zu den Neulandgewinnern (https://neulandgewinner.de/), wurde über das Programm der Robert-Bosch-Stiftung gefördert, um eine Anlaufstelle für ehrenamtliches Engagement in Demmin zu entwickeln und die Bürger für Beteiligungsprozesse und Mitsprachemöglichkeiten zu sensibilisieren. Auch kulturelle Aktivitäten in der Stadt gestaltet der T30 aktiv mit. So wurde der Kulturring Demmin (https://www.kulturring-demmin.de/) als Verbundprojekt des T30 e. V. mit dem Lübecker Speicher Demmin ins Leben gerufen, um die kulturell Aktiven aus Demmin zusammenzubringen, den Austausch zu fördern und Synergien zu nutzen. Neben einem regelmäßigen Kulturstammtisch werden Kunstaktionen organisiert und Künstlerstipendien vergeben. Dadurch wurden bereits mehrere Nicht-Demminer Künstler*innen für einen zweimonatigen Aufenthalt mit künstlerischem Wirken in die Stadt geholt. 2020 war der aus Südkorea stammende Performance-Künstler Minjae Lee in Demmin und hat seine Performance „Leerraum“ im Pavillion im Marienhain aufgebaut. Neun Tage lang füllte er dafür einen raumgroßen durchsichtigen Ballon – mit dem Einzigen, was beweist, dass er als Mensch existiert, dass er lebt: seinem Atem. Für den Künstler eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema Angst.
Artists in Residence Minjae & Lee mit Sarah DietrichKulturfloß Villa-EdenAnnette Leipold
Ein Jahr später war die Autorin und Poetry Slammerin Theresa Steigleder Artist in Residence in Demmin. Sie ist noch heute mit der Stadt verbunden, gibt Schreibworkshops zum kreativen Schreiben. Auch andere Kreative lockt der T30 mit seiner Arbeit an: Annette Leipold hat neben dem Büro ihre eigene Nähwerkstatt eröffnet und gibt dort nun Kurse für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Mit der „Zentrale“ in der Treptower Straße 30 hat Sarah Dittrich noch mehr vor: Die alte Backstein-Remise im Hinterhaus soll Gemeinschaftsbüro mit Werkstatt-Atelier und Seminarraum für Vereine und gemeinnützige Akteure in Demmin werden. „Dort wollen wir den Vernetzungsgedanken und Informationsaustausch noch gezielter fördern. Im besten Fall entstehen hier neue Kooperationen und Projekte in der Stadt. Es darf gelernt und ausprobiert werden: Kunst, Handwerkskurse, Philosophie-Salons, Körpertherapien, vieles ist denkbar.“
Die Zukunft des Vereins ist immer auch abhängig von den aktuell laufenden Projekten mit der abhängigen Finanzierung. Ab Januar 2023 wird der T30 e.V. die Koordinationsstelle für Demokratie Leben in Demmin übernehmen. Auch das Kulturfloß auf der Peene befährt 2023 unter der Flagge des T30 e.V. wieder den Amazonas des Nordens und schippert zwischen Anklam und Kummerower See unterschiedlichste Musiker und Musikerinnen für Konzerte zu kleinen Wasserwanderrastplätzen, verwunschenen Waldgaststätten und Dorfgastronomien (https://www.t30-demmin.de/neues-projekt-kulturfloss-peene/).
Kräftig leuchtende Farben prägen die Ölbilder von Annette Mecklenburg. Sie widmet der Entstehung ihrer Werke viel Zeit und Leidenschaft. Seit 25 Jahren lebt und arbeitet die Künstlerin in Klein Gievitz nahe Waren an der Müritz. Hier hat sie sich mit der eigenen kleinen Sommergalerie einen langgehegten Wunsch erfüllt.
Das Gelb der Sonne erfüllt nicht nur den Raum, sondern findet sich auch in nahezu allen Bildern der Künstlerin Annette Mecklenburg wieder. Es ist, wie eine besondere Verbindung zwischen dem natürlichen Element des Lichts, dem Material des Raums und den Bildern. Die Motive sind Frauen, meist einzeln, selten auch zu zweit. In sich ruhend wirkt jede, innehaltend für den Moment. Dennoch zeigen die Bilder sie in ganz individuellen Situationen, dem eigenen Umfeld. Frauen, mit denen sich die Künstlerin verbunden fühlt. Genau erklären kann sie es nicht. „Es gibt keinen Plan für ein bestimmtes Motiv, es ergibt sich.“
Schicht für Schicht trägt sie ihre Farben auf, die eine enorme Kraft entfalten. Auch der Zufall spiele manchmal eine Rolle, vieles sei jahrelange Erfahrung. Früher gefielen der gebürtigen Schwerinerin Ölbilder in den Museen überhaupt nicht. Viel zu dunkel waren sie ihr. Aber mit dem Kennenlernen des Expressionismus begeisterte sie sich dann für die Farben. Heute ist die Ölmalerei ihre große Leidenschaft, in die sie all ihre berufliche Zeit investiert. Firnis gibt den kräftigen Ölfarben eine besondere Tiefe und Brillanz, macht die Bilder unempfindlich und langlebig. „Manchmal braucht ein Bild ein Jahr, bis es richtig durchgetrocknet ist“, sagt sie. In ihrem Atelier über der Galerie arbeitet sie bisweilen über viele Wochen an zwei oder drei Bildern gleichzeitig.
Neben ihrer Arbeit als Künstlerin ist Annette Mecklenburg vor allem Familienmensch, hat mit ihrem Mann Christian drei Kinder großgezogen. 1996 zogen sie nach sieben Jahren Berlin, wo sie an der Hochschule der Künste studierte, aufs Land. Beim Radfahren durch Mecklenburg entdeckten sie die Region um Waren für sich. Sie kauften die Hälfte eines alten Bauernhauses und stellten sich der Herausforderung, das alte, kaputte Gemäuer zu renovieren.
Platz für ihre Malerei war zu diesem Zeitpunkt in einem Bauwagen, später in einem kleinen Raum im Wohnhaus. Seit knapp sechs Jahren findet ihr Atelier im lichten Geschoss über der Galerie Platz.
Annette MecklenburgBauernhof in Klein Gievitz
Schon lange hatte Annette Mecklenburg den Wunsch, einen eigenen Ausstellungsort für ihre Bilder zu gestalten, unabhängig zu arbeiten und für ihre Gäste und Betrachter präsent zu sein, „einen Ort zum Wohlfühlen, für mich und meine Besucher.“ Dafür haben sie und ihr Mann die zweite Haushälfte dazugekauft und mit natürlichen Materialien hergerichtet. Dort präsentiert sie nun jährlich ab Pfingsten ihre eigene Ausstellung, immer kombiniert mit Gastkünstlern, die mit ihren figürlichen oder plastischen Werken das Interieur passend ergänzen.
Mit Gouachefarben, die entweder deckend oder lasierend angewendet werden können, Buntstiftzeichnung und gedruckten Strukturen empfindet sie Geschichten gestalterisch nach und macht sie dadurch auch visuell für Kinder erlebbar. Mehr als zehn Kinderbücher hat Claudia Burmeister auf diese Weise schon illustriert, dazu eine Reihe Schulbücher. Dabei war es reiner Zufall, dass 2014 ein Verlag ausgerechnet auf die Illustratorin aus der Mecklenburgischen Schweiz gestoßen ist. Mittlerweile arbeitet Claudia Burmeister, die ihre Illustrationen auch unter dem Künstlernamen Papierziege (https://www.papierziege.de/) anbietet, mit mehreren Kinderbuch-Verlagen fest zusammen. Aber Claudia Burmeister malt nicht nur für Kinder (und Erwachsene). „Als Illustratorin biete ich auch Workshops und Kurse an, in denen ich meine intuitive und experimentelle Arbeitsweise versuche, an Kinder im Vor- und Schulalter weiterzugeben. Dabei möchte ich vor allem die Liebe zu Büchern und Geschichten mit den Kindern teilen und den Beruf der Illustratorin vermitteln.“ Das Ausprobieren ist in ihren Workshops sehr wichtig. „Die Kursteilnehmer*innen sollen viel lieber zu einer eigenen Formensprache finden, als direkt ein fertiges Ergebnis vorzulegen“, sagt Claudia Burmeister.
Über 20 Jahre ist es nun her, dass sie selbst mit dem Zeichnen und Illustrieren angefangen hat. Dies jedoch schon auf einer weit höheren Ebene, als Schülerin der Grafikdesign-Schule in Anklam, die damals in einer stillgelegten Möbelfabrik untergebracht war. „Der Fokus während der Ausbildung lag auf dem Handwerk. Naturstudium, Fotografie, Siebdruck, Illustration, Schriftgestaltung – wir konnten alles ausprobieren. Es ging darum, einen Blick zu bekommen für Linien und Formen. Dafür hatten wir hervorragende Lehrer und Dozenten, wie Simone Waßermann, Harald Larisch und nicht zuletzt Gründer Otto Kummert“, erinnert sich Claudia Burmeister, die während des Studiums auch Kurzgeschichten von Franz Kafka illustriert hat.
Seit 2018 ist Claudia Burmeister nun Mitglied im Künstlerkollektiv POPPY FIELD (https://www.poppy-field.de/), einem Netzwerk von Illustratorinnen aus MV, die gemeinsam Illustrations-Projekte umsetzen. Seit vielen Jahren arbeitet sie außerdem mit dem Kultur- und Kunstverein Waren e.V. (http://www.kulturverein-waren.de/) zusammen, außerdem illustriert Claudia Burmeister regelmäßig für das VielSehn-Magazin (https://www.vielsehn.de/).
Wichtiges aktuelles und zukünftiges Projekt ist die eigene Galerie und Atelierwerkstatt, die gerade im Entstehen ist: Die „Alte Büdnerei 13“ ist eine Produzentengalerie, ein Atelier für Grafik und Illustration. Dort sollen regelmäßige Veranstaltungen stattfinden, wie Ausstellungen, Lesungen sowie Zeichenkurse als Einzelunterricht oder in Kleinstgruppen. Ab Frühjahr will Claudia Burmeister damit beginnen, die Galerie tageweise zu öffnen.
Kontakt: Papierziege Claudia Burmeister Straße der Einheit 4, 17139 Gielow Galerie: Alte Büdnerei 13, Beethovenstraße 13, 17139 Gielow www.papierziege.de, claudi@papierziege.de Tel.: 039957299889
In Altkalen betreibt Detlef Preuß die letzte noch regelmäßig mahlende Mühle im Nordosten. Seit über 120 Jahren ist sie im Familienbesitz und versorgt die Region mit ihren Produkten. „Es war unser Glück, dass mein Vater nach dem Krieg nicht enteignet wurde“, sagt Detlef Preuß. Als sogenannte Zwischenbetriebliche Einrichtung blieb dieser der Besitzer der Mühle – mit nur einem Kunden, der LPG. Für die wurde in der Mühle bis 1990 Mischfutter produziert. Und sie blieb im Familienbesitz, seit 1896. Eine Tonne Getreide pro Tag könnte Detlef Preuß hier vermahlen. Stattdessen sind es 10 bis 15 Tonnen pro Jahr. „Mehr ist unter den jetzigen Bedingungen nicht zu schaffen“, sagt er. Mehr mahlen bedeutet auch mehr Arbeit. Die ist schon jetzt für ihn alleine gerade so zu leisten. Und auch der Verschleiß an der Mühle wäre größer, der Wartungsaufwand würde steigen, zusätzliche Kosten für Personal und Material wären nötig. So eine historische Mühle könne man heutzutage nicht mehr wirtschaftlich betreiben, ist Detlef Preuß überzeugt. „Jedenfalls nicht hier in unserer Region.“ Sein Ziel ist es, die Mühle zu erhalten, das Handwerk zu bewahren und alles regelmäßig in Bewegung zu haben. 1988, ein Jahr nach dem Tod des Vaters, hat Detlef Preuß den Beruf des Müllers gelernt, in der damals modernsten Mühle der DDR in Potsdam. Facharbeiter für Körnerver- und -bearbeitung nannte sich das damals ganz genau. Die Ausbildung war nötig, damit der gelernte Schmied den Familienbetrieb am Laufen halten konnte. Nach der Wende war erstmal Schluss damit.
Stattdessen boten sich andere Chancen. „Die Fördertöpfe waren damals voll. Aber kaum einer hat sie abgerufen, weil viele Eigentumsverhältnisse unklar waren oder die Rückübertragung dauerte.“ Hürden, die Preuß nicht zu überwinden hatte. Er gründete einen gemeinnützigen Verein, den Mühlenhof Altkalen e. V., und trieb die Restaurierung der Mühle voran. Bis 2005, über zehn Jahre lang, liefen die Arbeiten. Die Pläne für die Zeit danach reiften erst währenddessen. Ein Erlebnisort, an dem das alte Handwerk lebendig bleibt, ist entstanden. Von Ostern bis September backt Detlef Preuß immer mittwochs Brot im Freilandbackofen, welches die Kunden dann frisch vor Ort kaufen können. 40 bis 50 Brote jede Woche, in der Saison auch mal zwanzig mehr. Das Getreide dafür bezieht der Müller von Bio-Landwirten aus der Gegend. Auch das daraus gemahlene Mehl hat kurze Wege. Ein lokaler Bäcker backt daraus ein traditionelles Mühlenbrot, ein regionaler Hersteller von Fischfeinkost paniert seinen Brathering mit dem Vollkornmehl aus Altkalen.
Detlef PreußVeranstaltungsscheune
Seit ein paar Jahren beobachtet Detlef Preuß einen Trend zu mehr gesunder Ernährung, mehr Regionalität. „Viele fangen wieder an, selbst zu backen. Unser Roggenvollkornmehl ist perfekt zum Ansetzen von eigenem Sauerteig.“ Aber der Müller weiß auch, dass man sich die Entscheidung für so ein handgemachtes regionales Produkt auch leisten können muss. Noch läuft alles wie immer. Detlef Preuß mahlt das Mehl für die Kuchen, die er für das Hofcafé backen wird; produziert auf Bestellung für seine Stammkunden. Heute wird das Mahlwerk vom Elektromotor angetrieben. Um das große Mühlrad in Gang zu setzen, sind die Mengen zu klein, der Aufwand zu groß. Nur ab und zu treiben die vier großen Flügel das Mahlwerk noch an. Meistens trifft man Detlef Preuß auf dem Mühlenhof allein. Deshalb ist er froh, wenn größere Gruppen sich vorher anmelden. Dann kann er frühzeitig Hilfe organisieren und genügend Brot und Kuchen vorbereiten. Dieser wird in der großen Veranstaltungsscheune, bei gutem Wetter auch auf der Terrasse davor, serviert.
Adresse Mühlenhof Altkalen e. V. Mühlenhof 5, 17179 Altkalen Telefon: 039973 – 70388 http://www.windmehl.de/
Ein kleines 60-Seelen-Dorf, in dem es trotzdem alles gibt, was nötig ist – so könnte man den Ort Gessin bei Malchin wohl beschreiben. Ein Dorfgemeinschaftshaus, montäglicher Mittagstisch, Tanzveranstaltungen, Malgruppen, sogar ein ausgezeichnetes Programmkino gibt es hier. Zentrum ist der Mittelhof, auf dem Bernd Kleist und Ehefrau Maria seit knapp zehn Jahren auch einen Dorfladen mit Naturkostsortiment (https://www.dorfladen-gessin.org/ ) betreiben. Der Hof ist ein wichtiger Treffpunkt. Hier laufen die Fäden im Ort zusammen, werden neue Pläne geschmiedet. Etwa eine Mitfahrzentrale, oder ganz aktuell, das Dörp Mobil, ein Elektrofahrzeug, das von den Dorfbewohnern gemeinschaftlich genutzt werden kann. Die großen Themen sind nachhaltige Bildung, kulturelle und soziale Teilhabe, die Förderung dörflicher Strukturen, nachhaltige Mobilität, regionale Versorgung, lokale Ökonomie sowie Gesundheitsförderung.
Im Dorfladen trifft man sich zum Kaffeetrinken, hier gibt es eine Poststation. Auch die regionale Vermarktungsplattform Meck-Schweizer (https://meck-schweizer.de/) wurde in Gessin gegründet. Die Idee: regionale Produkte von den Produzenten in die Läden und zu den Gastronomen zu bringen. Mit Elektro-Fahrzeugen werden die Produkte von den Erzeugern abgeholt und zu den Händlern gebracht. Werden die E-Autos nicht gebraucht, stehen sie für Carsharing oder Mietwagenservice inklusive Fahrer zur Verfügung. Wissen austauschen, Strukturen teilen, Ressourcen schonen und effizient einsetzen – das spielt bei allem, was die Gessiner um Bernd Kleist anpacken, eine übergeordnete Rolle. Dafür findet auch ein reger Austausch mit anderen Initiativen in der Region statt, allen voran dem Projekthof Karnitz und dem Regionalbündnis Mecklenburgische Schweiz. Das Ende der Fahnenstange ist längst nicht erreicht: Die Akteure wünschen sich, mehr Menschen mit ihren Angeboten zu aktivieren und sie auch zu motivieren, selbst etwas anzubieten, aktiv mitzumachen. Ein großer Traum ist eine Senioren-WG im Ort. Die Pläne für einen solchen gemeinschaftlichen Alterssitz liegen seit Jahren in der Schublade. Gut möglich, dass sie demnächst Form annehmen.
In einem ehemaligen Gutshaus von 1835 vor den Toren Demmins haben Simone und Markus Brentrup 2021 einen Concept-Store für mit Kunsthandwerk und Artikel kleinerer Label eingerichtet. Simone Brentrup hat hier ihr außerdem ihr kleines Nähatelier: Seit 2012 näht und verkauft die gelernte Arzthelferin selbstgeschneiderte Damenbekleidung. Mäntel aus schlichtem Wollfleece, geblümte Softshelljacken, bunte Kleider und Tuniken im skandinavischen Look hängen auf Kleiderstangen im Atelier. Unter dem Label „Froeken Frida“ verkauft sie diese mittlerweile weltweit über ihren Onlineshop. „Es ist verrückt zu wissen, dass meine Sachen auch in Korea oder Australien getragen werden“, sagt sie. Aus Gütersloh ist das Paar vor einigen Jahren in den Norden gekommen, wollten sich erst in Lübeck niederlassen, haben sich dann aber auch im benachbarten Mecklenburg umgesehen, wo sie schließlich sesshaft geworden sind.
Auf das Haus in Waldberg stießen sie aus Zufall. Eigentlich wollten sie sich noch einmal kleiner setzen, aber dann verfielen sie dem Charme des unscheinbaren Gebäudes. Vieles aus dessen nunmehr fast zweihundertjähriger Geschichte ist noch erhalten: Originale Bodenfliesen und die Veranda aus Holz, der Dielenfußboden, die großen Flügeltüren im Erdgeschoss. Dort haben sie ein kleines Café eingerichtet – bei schönem Wetter kann man auch vor der Tür im Grünen sitzen. Im Caféraum präsentieren sie wechselnde Ausstellungen regionaler Künstler*innen, veranstalten Kulturabende, Lesungen, Workshops – kürzlich einer zum alten Handwerk des Spinnens. Immer wieder lassen sich die beiden Neues einfallen, Haus und Umfeld zu beleben, interessierte Gäste in ihrem Haus willkommen zu heißen.
Ein ausführlicher Beitrag über das Gutshaus und seine Menschen ist erschienen in Ausgabe 2 des VielSehn-Magazins.
Adresse Gutshaus Waldberg Waldberg 1 17109 Demmin
Stöberzeiten mittwochs – samstags 10:00 – 17:00 Uhr Café: ab April Freitag & Samstag mittwochs ab 16.00 Uhr: Handarbeitstreffen mit Spinnen, Häkeln und Stricken
Aktuelle Veranstaltungen im Gutshaus Waldberg finden sie hier.
Seit Jahren ist die Büdnerei Lehsten ein bekannter Kulturort in der Region. Im Innenhof finden im Sommer Kulturveranstaltungen, Feste und Hochzeiten statt. „Wir haben uns praktisch in ein gemachtes Bett gesetzt“, sagt Johanna Bantzer und spricht auf die Jazzkonzerte an, die die Vorbesitzer hier bereits seit Jahren veranstaltet sowie die Ferien- und Gästewohnungen, die sie hier eingerichtet haben. In diese Fußstapfen ist die Schauspielerin zusammen mit drei anderen Theaterfreunden getreten. 2018 haben sie die Büdnerei übernommen und beleben diese weiterhin kulturell. Lesungen, Konzerte und Theateraufführungen veranstalten sie im kleinen Theatersaal. Hochzeiten finden auf dem Gelände statt. Das Gästehaus wird für Team-Events gebucht.
„Zu Anfang haben wir hier ganz viel selbst gemacht, bei Festen auch schon mal gekellnert, an der Bar geholfen, gekocht. Mittlerweile versuchen wir, uns da wieder etwas zurückzunehmen.“ Seit Ostern 2022 gibt es Pächter für das kleine Restaurant, das nun „Büdneria“ heißt und in dem regionale Speisen serviert werden. Drei Angestellte helfen im Garten und in der Werkstatt, bei der Verwaltung der Ferienwohnungen und in der Buchhaltung. „Durch das touristische Angebot erlauben wir uns die Freiheit, hier Künstler zu beherbergen, einen Workspace für Theaterleute, Drehbuchautoren, Schauspieler zu schaffen, Proben in einem besonderen Umfeld zu ermöglichen.“ All das entsteht durch das große Netzwerk der vier. So sind in Lehsten auch schon kleine Filme für die Berliner Volksbühne gedreht worden, die später dort gezeigt wurden.
Ein Selbstläufer ist die Bespielung des Geländes jedoch nicht. Zwar gäbe es genügend Inhalte mit der ihr eigens dafür gegründeter Verein „Kultur-Kolchose Lehsten“ für Programm sorgt, aber die Gäste kämen nicht automatisch. Es sei viel los in der Region, mit vielen fantastischen Angeboten. Da bestehe die Herausforderung vor allem darin, die Nische zu finden und das eigene Profil nach außen zu schärfen. „Die Künstlerinnen und Künstler sollen gerne nach MV kommen und der Region etwas dalassen. Eine Ausgewogenheit darin zu finden, dass beide Seiten profitieren von dem Austausch, das wäre unser Ziel.“
Besonders wichtig sei die Vernetzung. Mit der „Lehstener Kultur-Alternative“, dem zweiten Kulturverein im Ort, funktioniere das sehr gut. Man unterstütze sich gegenseitig, die Zusammenarbeit sei toll. „Das ist ein großes Glück“, sagt Johanna Bantzer. Sie ist davon überzeugt, dass sie sich bei den Einheimischen besondere Mühe geben müssen. Und so versuchen sie als Neubürger hier nun auch in allen Bereichen Fuß zu fassen: Die Eier gibt’s vom Nachbarn, der Klempner kommt aus dem Ort, Oster- und Weihnachtsmärkte werden vor allem für die Menschen aus der Region organisiert.
Aber was treibt nun vier Theaterleute aus der Großstadt nach MV? Eine kleine Verbindung gibt es da, wenngleich diese eher zufällig ist: Die Familie von Theaterregisseur Alexander Eisenach, einer der Vier im Bunde, kommt ursprünglich aus Neubrandenburg. Zusammen mit den drei anderen bringt er nun die große Theaterwelt ein Stück weit auch ins beschauliche Mecklenburg, nach Lehsten mitten im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte.
Mehr lesen über die Büdnerei Lehsten in Ausgabe 3 des VielSehn-Magazins (https://www.vielsehn.de/).
Raumgreifend ist diekultur.schule in Malchin in zweierlei Hinsicht: Sie lädt Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus der Mecklenburgischen Schweiz ein, zieht sich nicht in die lokale Ecke Malchins zurück. Und sie sagt in etwa: „Die Menschen müssen an die frische Kulturluft“. An die Luft der gesamten Kultur!
In der Oberstadt von Malchin – in der Nähe vom Zachow – bündelt sich die Kultur in Form von verschiedensten Angeboten. Initiiert von der Regionalmusikschule Malchin findet Kunst, Literatur, Schauspiel, Musikbindet aber auch Kulturpartner zusammen: die Kunstkapelle Remplin und die Kunsthalle in Karnitz zum Beispiel und ermöglicht Verbindungen und Bindungen untereinander durch Coworking Möglichkeiten und die freizügige Bereitstellung der räumlichen und technischen Infrastruktur für denkbar alle soziokulturellen Initiativen in der Region. Über allem schwebt das Versprechen: hier findet ihr Empathie und Qualität, hier erlebt mensch seine eigenen künstlerischen Übungen mit Lust. Und dann ist noch ein subversiver Gedanke im Spiel: Wenn sich die Region als Kulturlandschaft beschreibt, dann reichen ihr die topografischen Namen von alten Orten und Kulturdenkmälern nicht.
Die Kulturlandschaft soll leben. Und das ist heute mit den Events und den Schülerinnen und Schülern, die mit der künstlerischen Kreativität und den kulturellen Gestaltungsfähigkeiten auch Zukunftsbilder entwerfen können.